Ohne Lotsen kommt kaum ein Schiff sicher in den Hafen. Aber ohne Lotsversetzer kommt kein Lotse an Bord des Schiffs, das er oder sie betreuen soll. Dafür zuständig, die Seelotsinnen und Seelotsen zu ihren Einsatzorten zu bringen, sind die insgesamt 460 Kolleg*innen des Lotsbetriebsvereins. Pro Tag fahren sie rund 400 Einsätze, bei Tag und Nacht, bei Wind und Wetter. 16 feste und drei schwimmende Lotsenstationen sind rund um die Uhr besetzt, um sofort reagieren zu können, wenn ein Schiff Unterstützung braucht.
Finanziert wird das Lotswesen durch Gebühren, die von den Eignern der betreuten Schiffe zu entrichten sind. Aus Lotsgeld und Lotsabgaben werden die Einkommen bestritten und die Infrastruktur – wie Stationen, Schiffe usw. – bezahlt. Wieviel die Kolleg*innen beim Lotsbetriebsverein verdienen, wird zwischen dessen Geschäftsführung und der Gewerkschaft ver.di ausgehandelt – in den vergangenen Jahren wurden die Abschlüsse des Heuertarifvertrags Seeschifffahrt (HTV-See) übernommen.
In den seit März laufenden Verhandlungen zeigte sich die Geschäftsführung bereit, den Kolleg*innen darüber hinaus sowohl die ihnen schon im vergangenen Jahr prinzipiell zugesagte Inflationsausgleichprämie in Höhe von 2.000 Euro als auch eine zusätzliche Heuererhöhung auszuzahlen. Entsprechende Absichtserklärungen wurden bereits im Sommer unterzeichnet, die entsprechenden Tarifverträge waren unterschriftsreif.
Doch die Gebühren für die Arbeit von Lotsen und Lotsversetzern werden nicht direkt von der Bundeslotsenkammer oder dem Lotsbetriebsverein kassiert. Für das Einziehen ist die Aufsichtsbehörde zuständig, die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS), eine Behörde des Bundesverkehrsministeriums. Und von dort kam nur: angespannte Haushaltslage, kein Geld da. Der Geschäftsführung des Lotsbetriebsvereins wurde untersagt, die entsprechenden Einkommenserhöhungen zu unterzeichnen.
So aber werden Tarifgespräche ad absurdum geführt. Der Lotsbetriebsverein als Arbeitgeber ist der Partner der Gewerkschaft am Verhandlungstisch, nicht GDWS und Bundesverkehrsministerium. Beide weigerten sich entsprechend auch, an den Gesprächen teilzunehmen. Lediglich zu einem informellen Treffen fand man sich im Herbst bereit, konkrete Ergebnisse gab es aber auch dort nicht. Bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe war kein Abschluss absehbar.
Für ver.di ist eine solche Situation nicht mit dem Gedanken der Tarifautonomie vereinbar, die eine Einmischung von Regierungen in Tarifverhandlungen ausschließt. Und in diesem Fall ist es letztlich die Bundesregierung, die einem Unternehmen den Abschluss eines Tarifvertrages verbieten will. So blieb der ver.di-Tarifkommission beim Lotsbetriebsverein nichts anderes übrig, als die einschlägigen Tarifverträge fristgemäß zum Jahresende zu kündigen. Die Konsequenz daraus ist, dass ab Januar 2025 Streiks beim Lotsbetriebsverein möglich sind – mit allen Folgen, die dies für die Schifffahrt in Norddeutschland haben kann. Die Kolleg*innen sind kampfbereit.
Hinweis: Nach Redaktionsschluss der „Waterfront“ Nr. 2/2024 konnte beim Lotsbetriebsverein doch noch ein Tarifabschluss durchgesetzt werden
Erschienen im Dezember 2024 in der „Waterfront“ Nr. 2/2024