Man hörte das Knattern von Maschinengewehren, dann Rufe und schließlich Gesang: »Amandla! Ngawethu!« – Alle Macht dem Volk! Radio Freedom war auf Sendung, die Stimme der südafrikanischen Befreiungsbewegung ANC (Afrikanischer Nationalkongress).
Zum ersten Mal hatte sich der Sender 1963 zu Wort gemeldet, kurz nach der Verhaftung Nelson Mandelas. Am Mikrofon rief sein enger Mitstreiter Walter Sisulu zum Widerstand auf: »Unser Haus steht in Flammen!« Der Sender war auf einer Farm bei Johannesburg versteckt, auf der auch der gerade gegründete bewaffnete Arm des ANC, Umkhonto we Sizwe (Speer des Volkes), seinen Stützpunkt hatte. Das blieb nur kurze Zeit unentdeckt, dann ließ das Rassistenregime die Farm stürmen. Fast alle führenden Mitglieder des ANC wurden verhaftet und im »Rivonia-Prozess« 1964 zu lebenslanger Haft verurteilt. Wer entkommen konnte, ging ins Exil.
Auch Radio Freedom schwieg – bis Ende der 60er Jahre. Dann war der Sender wieder zu hören und blieb es bis 1991. Möglich machten das die unabhängig gewordenen Nachbarstaaten. Vor allem Sambia, in dessen Hauptstadt Lusaka die Zentrale des Senders eingerichtet wurde. Auch Tansania, Angola, Äthiopien und Madagaskar stellten dem ANC Sendezeiten zur Verfügung.
Wer in Südafrika Radio Freedom hörte, lebte gefährlich. Schon für das Einschalten drohten acht Jahre Haft. Noch höher war das Risiko für die Aktivisten, die per Kassetten Aufnahmen der Sendungen ins Land schmuggelten und in den Townships, den Ghettos der Schwarzen, verbreiteten. Doch auch die Moderatoren im Ausland waren nicht in Sicherheit. 1988 wurde ein Mitglied der Exilleitung des ANC in Lusaka durch eine Autobombe getötet, ein Jahr zuvor waren fünf Menschen beim Überfall auf ein Ausbildungslager in Sambia ermordet worden.
Vor allem in den 80er Jahren nahm die internationale Solidarität mit dem Widerstand in Südafrika zu. Eine immer breiter werdende Bewegung forderte, das Apartheidregime zu isolieren und zu boykottieren. In der Bundesrepublik initiierte die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) die Kampagne »Radio Mandela« – mit großem Erfolg. 1987 konnte der Sprecher der Jugendsendung von Radio Freedom ein besonderes Programm ansagen: »Bevor wir mit unserer heutigen Sendung beginnen, möchten wir die Musik einer westdeutschen Gruppe namens Alphaville spielen …« Es folgte eine Aufnahme, auf der sich die Mitglieder der auch in Südafrika durch Hits wie »Big in Japan« und »Forever Young« bekannten Band mit dem Kampf des ANC solidarisierten: Alphaville hatten sich entschieden, die Einnahmen aus den Schallplattenverkäufen in Südafrika dem ANC zur Verfügung zu stellen. Die vier goldenen Schallplatten, die sie in Südafrika erhalten hatten, wurden versteigert – wer am meisten Spenden für »Radio Mandela« sammelte, sollte eine bekommen, berichtete das SDAJ-Magazin Elan im September 1987.
Erschienen am 10. Oktober 2019 in der Tageszeitung junge Welt