Roter Schwarzfunk. Der deutsche Freiheitssender 904 und der Deutsche Soldatensender

Roter Schwarzfunk. Der deutsche Freiheitssender 904 und der Deutsche Soldatensender

Roter Schwarzfunk. Der deutsche Freiheitssender 904 und der Deutsche SoldatensenderAls ich 1988 beim damaligen Kurzwellen-Pressedienst aus Göttingen die Broschüre „Roter Schwarzfunk. Freiheitssender 904 und Deutscher Soldatensender“ (vom Verlag ergänzt um die Unterzeile „Zwei Instrumente der Rundfunkpropaganda der DDR im Kalten Krieg“) veröffentlichte, gab es praktisch keinerlei Informationen über diese beiden Untergrundsender. Das hat sich mittlerweile geändert, da heute aufgrund gewisser geschichtlicher Umstände ganz andere Quellen zur Verfügung stehen. Trotzdem freue ich mich, dass einige Autoren meine kleine Arbeit von damals heute noch nutzen, wie aus ihren Fußnoten hervorgeht. Einige der heutigen Informationen habe ich in der Link-Liste zusammengestellt, auf einigen dieser Seiten sind auch kurze Hörproben der beiden Sender zu finden.

Auf dieser Seite habe ich den von mir geschriebenen Text der Broschüre zur Verfügung gestellt, die vom Verlag damals hinzugefügten Teile habe ich mir und Euch erspart, da sie zur Sache wenig beitragen. Ich habe den Text inhaltlich nicht verändert (auch wenn es mir manchmal in den Fingern kribbelte), nur offensichtliche Tippfehler, sofern ich sie bemerkt habe, wurden verbessert.

Auf dem Cover taucht als Mitautor Christian Steffens auf. Wenn ich mich recht erinnere, hielt sich sein praktischer Beitrag damals aber sehr in Grenzen, ich wollte wohl nur nicht alleine auf dem Cover stehen. Trotzdem einen lieben Gruß an Christian, falls er mal auf dieser Seite vorbeistolpern sollte.

 

Die Vorgeschichte

Lange Zeit bevor zum ersten Mal die Ansage des Deutschen Freiheitssenders 904 ertönte, wurde am 30. Dezember 1918 auf einem Gründungsparteitag die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ins Leben gerufen. Schon am Anfang der 20er Jahre versuchten die Kommunisten im Arbeiter-Radio-Bund und später im Freien Radio-Bund das neue Medium Rundfunk für sich zu erobern, jedoch kam man über vereinzelte illegale Ausstrahlungen nicht hinaus. Der staatliche Rundfunk blieb den Kommunisten, ebenso wie zunächst den Sozialdemokraten, die ähnliche Ambitionen hatten, verwehrt. Später begannen die Kommunisten verstärkt für die deutschsprachigen Sendungen des Moskauer Gewerkschaftssendsrs zu werben. „Hört Moskau“ war an vielen Häuserwänden zu lesen und überall wurde zum Gemeinschaftsempfang des Moskauer Senders aufgerufen. Manchmal gelang es kommunistischen Rednern aber auch, sich gewaltsam in den offiziellen Rundfunk einzuschalten. 1928 wurde ein SPD-Redner kurzzeitig entführt, an seiner Stelle sprach der Landtagsabgeordnete Karl Schulz gegen den Panzerkreuzerbau, ebenso wie Hindenburgs Neujahrsrede 1932 über eine angezapfte Leitung von ironischen Bemerkungen unterbrochen wurde. Nach Hitlers Machtergreifung im Januar 1933 begannen viele oppositionelle Gruppen, darunter auch die Kommunisten, mit dem Aufbau illegaler Sender gegen das faschistische Regime. Genannt seien hier der Sender Schuarze Front oder die zahlreichen Geheimsender der Engländer (Gustav Sigfried l, Soldatensender Calais,..,) und der Amerikaner (1212), die vor allem im Zweiten Weltkrieg ihre Botschaft nach Hitlerdeutschland strahlten. Die Kommunisten ließen erstmals einen Deutschen Freiheitssender aus dem Äther tönen.

„Hier spricht, der Deutsche Freiheitssender 29,8. Trotz Gestapo. Sollten Sie uns an einem Abend nicht hören können, aus begreiflichen Gründen, so suchen Sie am nächsten Abend. Wir kommen immer wieder.'“

Dieser Sender begann seine Sendungen am 10. Januar 1937 über einen Sender in der Nähe von Madrid. Wegen seiner Aktualität vermuteten seine Hörer, ebenso wie die Gestapo, seinen Standort in Deutschland, was die Nazis zu einer fieberhaften Suche nach 29,8 veranlaßte. Es wurden LKWs, Rheinschiffe, Scheunen u.v.m. durchsucht. Erst durch die Hilfe von italienischen Peilspezialisten konnte man den Standort des Senders bestimmen, der, zum Bedauern der Gestapo, leider nicht in Reichweite war. Briefe trafen bei 29,8 in großer Zahl und aus aller Welt ein. So schrieb ein Hörer aus New York:

„Der illegale Sender 29,8 wird in New York und Philadelphia deutlich gehört und findet bei den Deutschen in den USA große Begeisterung.“ In einem Brief aus der Tschechoslowakei hieß es: „An den Freiheitssender Welle 29,8. Genosse! Wir entsprechen gerne Deinem Wunsche und teilen Dir mit, daß wir Dich in Pilsen ausgezeichnet hören. Bei Deiner Sendung drängen sich unzählige tschechische Genossen um den Radioapparat. Wir sprechen Dir einmütig unsere Bewunderung für Deine heldenmütige Tat aus und wünschen Dir von ganzem Herzen, daß Du den Erfolg Deiner Tätigkeit im befreiten Deutschland in vollster Gesundheit erlebst!“

Der Deutsche Freiheitssender 29,8 meldete sich täglich ab 22.00 Uhr etwa 60-90 Minuten lang auf Kurzwelle 29,8 Meter = 10060 kHz (z.T. auch etwas höher oder tiefer, bis ins 31-Meterband, um so deutschen Störsendern zu entgehen).

Wegen dem spanischen Bürgerkrieg mußte der Sender seinen Standort von Madrid nach Barcelona verlegen und seine Sendungen im März 1939 ganz einstellen.

Vier Jahre später, diesmal aus östlicher Richtung, meldete sich ab dem 20. Juli 1943 mit dem Sender Freies Deutschland erneut ein kommunistischer Sender. Er fungierte als Sprachrohr des Nationalkomitees Freies Deutschland und sendete über die Anlagen von Radio Moskau auf Lang-, Mittel- und Kurzwelle mehrmals täglich. Er stellte seine Sendungen kurz nach Kriegsende wieder ein.

„This is Radio Hamburg, a Station of the Alliied Military Government – Hier ist Hamburg, ein Sender der Alliierten Militärregierung“

Mit dem Kriegsende konnten auch die Partelen, darunter auch die KPD, wieder legal wirken. Sozialdemokraten, Kommunisten, Christen und andere Antifaschisten gingen gemeinsam an den Wiederaufbau der Städte und begannen auch mit dem Aufbau eines demokratischen Rundfunks, zunächst unter Aufsicht der Alliierten, später selbstverwaltet im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Bei den Wahlen zum 1. Deutschen Bundestag erhielt die KPD 5,7 % der Stimmen und zog so mit 15 Sitzen in das Parlament ein.

Nur zwei Jahre nach diesen Wahlen stellte die Bundesregierung unter Konrad Adenauer am 22. November 1951 beim Bundesverfassungsgericht Karlsruhe den Verbotsantrag gegen die KPD.

Am 6. Januar 1952 bestimmte die KPD Max Reimann, Heinz Renner und Walter Fisch zu bevollmächtigten Vertretern der Partei vor dem Bundesverfassungsgericht.

Erst fünf Jahre nach dem Verbotsantrag erklärte das Bundesverfassungsgericht die KPD am 17. August 1956 für verfassungswidrig und damit für verboten.

Doch die Partei hatte sich gut auf das Verbot vorbereitet. Mit Untergrundzeitungen und -Schriften, mit Wandparolen und Verteilaktionen protestierte sie gegen das Verbot. Nur einen Tag nach dem Verbot ertönte aus bundesdeutschen Radios um 20.00 Uhr erstmals die Ansage:

„Hier ist der Deutsche Freiheitssender 904.'“

„Hier spricht der Deutsche Freiheitssender 904“

Werbeanzeige von 904 in einer illegalen KPD-Zeitung18. August 1956, 20.00 Uhr. Zum ersten Mal meldet sich auf Mittelwelle 331,9 Meter, zwischen Mailand und London, der Deutsche Freiheitssender 904. Ab diesem Tag ist er mehrmals täglich auf Sendung. Der Freiheitssender behauptet von sich, er würde aus „einem Keller, irgendwo in der Bundesrepublik“ senden, ständig verfolgt von „Staatsschatz and politischer Polizei“. In den Sendungen erwecken die Sprecher den Eindruck, sie würden in der Bundesrepublik leben und hätten natürlich ständigen Kontakt mit der westdeutschen Bevölkerung und ihrer Meinung.

„Als ich mich gestern nachmittag im Hamburger Stadtpark auf einer Bank ein uenig vom Getriebe der Stadt verschnaufen wollte, kam ich mit einem vielleicht 20 jährigen – wie sich später herausstellte – Motorenschlosser ins Gespräch. Wir unterhielten uns gerade über die Vor- und Nachteile seiner ziemlich neuen DKW-Maschine, als ein Unteroffizier und ein Gefreiter in Bundesuehruniform an uns vorübergingen.“

Um die Illegalität der Station bei ihren Hörern glaubhaft zu machen, wird ein Brummton auf die Senderfrequenz gelegt. Ungeschulte Sprechtechnik, saloppe Ausdrucksweise und immer wiederkehrende Entschuldigungen („…Weil wir unter schwierigsten Bedingungen senden müssen,..“‚) sollen diesen Eindruck noch verstärken.

Nach allen im Westen verbreiteten Informationen aber sendet 904 über die Anlagen des Mittelwellensenders Burg bei Magdeburg in der DDR. Hierbei muß aber bemerkt werden, daß bis heute, 1988, der Standort DDR des Freiheitssenders weder von der DDR noch von bundesdeutschen Kommunisten bestätigt wird.

„Ich begrüße Sie recht herzlich zum 2. Abendprogramm des Deutschen Freiheitssenders 904, des einzigen Senders in der Bundesrepublik, der nicht unter Regierungskontrolle steht.'“

Die Musik, die der Freiheitssender in seinen Sendungen ausstrahlt, unterscheidet sich sehr vom Musikformat des offiziellen DDR-Rundfunks der 50er und 60er Jahre. Aktuelle westliche Tanzmusik und Jazz umrahmen die Wortbeiträge, was in den Programmen der offiziellen DDR-Stationen, z.B. der Deutschlandsender oder Radio DDR, keinesfalls eine Selbstverständlichkeit Ist.

Mit seinen Wortbeiträgen richtet sich der Deutsche Freiheitssender 904 besonders an die Soldaten der Bundeswehr. Die Tatsache, daß 904 gut über interne Geschehnisse innerhalb der Bundeswehr (Versetzungen, Manöverunfälle …) unterrichtet ist, und das gute Musikprogramm lassen viele Soldaten auf diese Welle umstellen. Informationen über die Bundeswehr und alles, was mit ihr zusammenhängt, bringt 904 auch für die Zivilbevölkerung. Als es um die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in der Bundesrepublik geht, bringt 904 folgenden Beitrag:

„Die Berufsschüler eines niederrheinischen Städtchens erhielten Fragebögen, auf denen stand: ‚Welche Vorteile bietet nach Deiner Auffassung eine abgeschlossene BerufsausbiIdung für einen späteren Dienst bei der Bundeswehr?‘ Die Jugendlichen antworteten kurz und bündig: ‚ Kommt für mich nicht in Frage. Lehne die allgemeine Wehrpflicht ab.'“

In die Sendungen streut der Freiheitssender auch immer wieder verschlüsselte Meldungen an Gruppen der verbotenen KPD im Untergrund ein, so z.B. am 22. April 1959:

„Hier ist der Deutsche Freiheitssender 904. Achtung, wir melden uns mit einer wichtigen Durchsage. Wir rufen den Stellvertreter von Drosselbart. Die Karawane trifft zwei Stunden früher ein. Besondere Maßnahmen nicht erforderlich. Ende der Durchsage.“

Es ist heute nicht bekannt, ob sich diese Durchsagen wirklich an Untergrundgruppen der KPD richteten oder ob damit den Hörern die Existenz einer starken bundesdeutschen Untergrundbewegung suggeriert werden sollte. Hierüber gibt es im Westen die unterschiedlichsten Auffassungen und Ansichten. Sicher ist jedoch, daß 904 nicht dazu ausreichte, eine Untergrundbewegung in der gesamten Bundesrepublik mit Nachrichten zu versorgen, da der Freiheitssender in Süddeutschland nicht zu hören war.

„Von heute, liebe Freunde, wird unsere Sendung jeden Abend drei Stunden dauern. Wir hoffen, daß die Herren von Verfassungsschutz und von der politischen Justiz uns noch einmal verzeihen können – wir wollen es auch ganz bestimmt jeden Abend wieder tun.'“ (Deutscher Freiheitssender 904 am 22. April 1959)

Die Sendezeiten von 904 werden in seiner 15-jährigen Lebenszeit mehrmals geändert. So heißt es in einer Bekanntmachung von 904 in einer KPD-Untergrundschrift:

„Hört den deutschen Freiheitssender 904. Jeden Abend um 19.00 Uhr, 21.00 Uhr, 22.30 Uhr. Jeden Morgen um 4.30 Uhr, 5.00 Uhr, 5.30 Uhr. Hört die Welle des Deutschen Freiheitssenders 904 -331,9m .'“

In einer erhalten gebliebenen Ansage heißt es dagegen:

„Hier ist der Deutsche Freiheitssender 904. Wir senden morgens von 5 bis 6 Uhr und abends um 19 Uhr, um 21 Uhr und um 22 Uhr.“

Das DW Handbuch 1972 der Deutschen Welle weiß zu berichten, daß der Sender „aufgrund 20prozentiger Programmkürzung Ende 1969 (…) noch 21 Wochenstunden Sendezeit“ hat. In diesem Handbuch taucht auch plötzlich die Behauptung auf, 904 würde den „250-kW-MW-Sender von Burg“ benutzen, während andere westliche Publikationen, der Osten schweigt ja verständlicherweise zu diesem Thema, die Sendeleistung 100 kW nannten.

Fremdsprachige Sendungen des Deutschen Freiheitssenders 904Im DW Handbuch 1972 werden auch die Fremdsprachensendungen des Freiheitssenders erwähnt, die der Programmkürzung von 1969 zum Opfer fielen. Der Sender informiert über diese Programme in der KPD-Untergrundzeitung Freies Volk wie folgt:

„Allen Arbeitern teilt der Deutsche Freiheitssender 904 mit: Wir senden für italienische, spanische, griechische und türkische Arbeiterinnen und Arbeiter in der Bundesrepublik in ihrer Heimatsprache:

Jeden Dienstag von 19.45 bis 20.00 Uhr in griechischer Sprache. Jeden Samstag von 19.45 bis 20.00 Uhr in italienischer Sprache. Jeden Samstag von 22.40 bis 23.00 Uhr in spanischer Sprache. Jeden ersten Donnerstag im Monat von 19.45 bis 20.00 Uhr in türkischer Sprache.“

Das Programm des Deutschen Freiheitssenders 904 hat folgende Einteilung: In der ersten halben Stunde des dreistündigen Abendprogramms bringt der Sender politische Informationen, Kommentare, Berichte und Nachrichten. Montags liegt der Schwerpunkt des Programms in der Betriebsarbeit, dienstags werden dominierend Jugendfragen behandelt, und sonntags steht die internationale Arbeiterbewegung im Vordergrund.

In den Sendungen von 904, den seine Hörer übrigens über eine Wiener Postfachanschrift erreichen können, werden auch massive Drohungen ausgesprochen, z.B. im Januar 1959:

„Wer sich in die Dienste der Bonner Schnüffelzentralen begibt oder an deren Verfolgung aufrechter Kämpfer für Frieden, Demokratie und gesellschaftlichen Fortschritt teilnimmt, muß wissen, daß er als Volksfeind und Verräter betrachtet und schließlich auch zur Verantwortung gezogen werden wird.“

Der Deutsche Freiheitssender 904 stellt seine Sendungen am 1. Oktober 1971, wenige Tage vor einer großangelegten Umstrukturierung des staatlichen DDR-Rundfunks, ohne jede Vorankündigung ein. Im Westen wird dieser Sendeschluß auch als ein Zeichen für das Ende der illegalen KPD angesehen, deren Vorsitzender, Max Reimann, kurze Zeit zuvor Mitglied der, 1968 gegründeten, Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) wird. Die Zeit der Entspannung zwischen Ost und West ist angebrochen.

Eine neue Station: „Sie hören den Deutsche Soldatensender“

Deutscher SoldatensenderWegen des besonderen Erfolges des Deutschen Freiheitssenders 904 bei Bundeswehrsoldaten, entschließt sich die Exil-KPD zum Start einer speziell auf diese Hörergruppe ausgerichteten Station. Der Deutsche Soldatensender nimmt im September 1960 auf Mittelwelle 935 kHz seine Sendungen auf. In der Anfangszeit meldet er sich unregelmäßig in den Abendstunden, später strahlt er ein Wochenprogramm von fast 30 Stunden aus, länger als 904 auf Sendung ist.

Offiziell ist auf der Frequenz 935 kHz der sowjetische Sender Lemberg registriert, der seine Sendungen jedoch in den Abendstunden zugunsten des Soldatensenders reduziert. Ebenfalls sendet, wenn auch mit schwacher Leistung, auf 935 kHz AFN Berlin, der amerikanische Soldatensender. Deshalb ist DSS im Raum Berlin nicht zu hören. Wie der Deutsche Freiheitssender 904 sich nach dem Weltkriegssender Deutscher Freiheitssender 29,8 benennt, „klaut“ auch der Deutsche Soldatensender seinen Namen aus dem Zweiten Weltkrieg, vom Soldatensender Calais.

Die Reaktionen auf den Soldatensender sind unterschiedlich. Während die KPD in ihren Untergrundschriften die Existenz des Soldatensenders nicht oder nur nebensächlich erwähnt, scheint er doch ziemlich viel gehört zu werden. Noch heute erinnern sich viele, die damals auf 935 kHz umgeschaltet haben, an das „Bumm, Bumm, ‚Bumm“, das Sendezeichen des Deutschen Soldatensenders. Zum Vergleich: an das Pausenzeichen von 904 („Freude schöner Götterfunken“) erinnern sich nur wenige. Wahrscheinlich auch deshalb, weil das Sendezeichen von 904 weniger markant klingt als das vom Soldatensender. Mit seinen Sendungen will die Station die Bundeswehrsoldaten unterhalten und ihnen mit militärischen Kommentaren sagen, was sie, der Meinung von DSS nach, tun sollen.

AFN ODER NICHT AFN – DAS IST HIER DIE FRAGE !

Während des Berliner Mauerbaus wendet sich ein falscher AFN Berlin, eine Variante des Deutschen Soldatensenders, an die in den Streit um die Berliner Mauer verwickelten amerikanischen Soldaten. Seine Einleitungsmelodie: „Don‘ t fence me in…“ („Zäune mich nicht ein“).

1972: DAS ENDE DES SOLDATENSENDERS

Im Zeichen zunehmender Entspannung entschließen sich die Betreiber des Deutschen Soldatensenders im Juli 1972, ihren Sender einzustellen. Genauso hatte es der Deutsche Freiheitfsender 904 bereits neun Monate zuvor gemacht. So erklang also im Sommer 1972, noch vor der Unterzeichnung des Grundlagenvertrages zwischen der Bundesrepublik und der DDR im Dezember, zum letzten Mal die Stationsabsage des Soldatensenders. „Sie hörten den Deutschen Soldatensender. Wir senden täglich 6.15 Uhr, 22.30 Uhr, 18 Uhr, 20.15 Uhr und 23.30 Uhr auf Mittelwelle 935 kHz.“

Von „plumpe Propaganda“ bis „einziger freier Sender“

Der Deutsche Freiheitssender 904 blieb natürlich von den westlichen Medien nicht unbemerkt und auch in KPD-Publikationen, die in der DDR herausgegeben wurden, fand 904 Beachtung. In diesem Kapitel wollen wir einmal unkommentiert West wie Ost zu Wort kommen lassen.

Das Sachwörterbuch der Geschichte, erschienen 1969 im Dietz-Verlag Berlin/DDR, kommentiert 904 beispielsweise so: „Deutscher Freiheitssender 904: Illegaler Sender, der mit seinen Sendungen den Kampf der demokratischen Kräfte Westdeutschlands gegen Monopoldiktatur und Agressionspolitik, für eine friedliebende, demokratische und sozial gerechte Ordnung in Westdeutschland unterstützt. Er ist der einzige westdeutsche Sender, der nicht durch die Regierung des Monopolkapitals gesteuert und finanziert wird. Er strahlte am 17. August 1956, dem Tag des Verbots der Kommunistischen Partei Deutschlands, seine erste Sendung aus. Seitdem wendet sich die KPD regelmäßig über ihn an die Arbeiterklasse und die übrige Bevölkerung Westdeutschlands.“

Die Aussage, 904 hätte seine Sendungen bereits am 17. Augsut 1956, und nicht wie von westlichen Medien dargestellt, am 18. August, begonnen, finden wir auch in anderen DDR-Publikationen, so z.B. in der Dokumentation KPD 1945-1965, 1966 ebenfalls im Berliner Dietz-Verlag erschienen:
„17.8. Erklärung der KPD zum Verbot der Partei. Der Parteivorstand fordert Freiheit und Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Rechte der KPD.
Der Freiheitssender 904 strahlt seine erste Sendung aus. Über ihn wendet sich die KPD regelmäßig an die westdeutsche Bevölkerung.“

In diesen Publikationen wird auch die Behauptung bekräftigt, der Deutsche Freiheitssender 904 würde seine Sendungen illegal aus der Bundesrepublik ausstrahlen. Demgegenüber schreibt z.B. das Deutsche Welle Handbuch 1972: „Es ist seit Jahren bekannt, daß der DEUTSCHE FREIHEITSSENDER 904 nicht aus einem Keller der Bundesrepublik operiert, sondern die DDR-Sendeanlagen von Burg (bei Magdeburg) den Underground-Strapazen vorzieht.“

Auch über die Inhalte der Sendungen des Freiheitssenders kommen West wie Ost – natürlich – zu unterschiedlichen Einschätzungen. Während die DDR-Publikationen, wie schon erwähnt, 904 als das „Sprachrohr der Arbeiterklasse und der demokratischen Öffentlichkeit der Bundesrepublik“ bezeichnen, herrschen in den Bonner Berichten aus Mittel- und Ostdeutschland ganz andere Töne:

„Die subversiven Sendungen des ‚Deutschlandsenders‘ werden seit 1956 noch von dem ‚Deutschen Freiheitssender 904‘ unterstützt. (…) Der Sender polemisiert heftig gegen den ‚westdeutschen Militarismus‘ und gegen die Bundeswehr; er ruft zum Widerstand gegen die Rekrutierung auf und schlachtet Manöverunfälle oder Disziplinarverfahren im kommunistischen Sinne aus.“

In ihren Untergrundschriften weist die KPD immer wieder auf die Sendungen des Freiheitfsenders hin. Demgegenüber halten sich westliche Zeitungen und Zeitschriften mit Berichten über 904 zurück. In der Anfangszeit des Senders gibt es nur wenige Berichte über 904. Eine der wenigen Erwähnungen des Freiheitssenders im Westen nimmt der Spiegel am 29. August 1956 vor: „Die kommunistische Propaganda für Westdeutschland hat nach dem Verbot der Zeitungen der ‚Freiheitssender 904‘ übernommen. Die Sendeleitung ist provisorisch in einem Nebengebäude des sowjetzonalen Fernsehstudios in Berlin-Adlershof untergebracht worden. Die SED plant jedoch, einen neuen Sender zur Ausstrahlung nach Westdeutschland westlich von Magdeburg aufzustellen.“

Umso mehr wird 904 nach seinem Ende im Oktober 1971 Beachtung zuteil. Der Spiegel schreibt in seiner Nummer 42/1971: „Ende der Maulwürfe? ‚Der einzige Sender der Bundesrepublik, der nicht unter Regierungskontrolle steht‘ (Ansage) scheint verstummt. Seit vorletztem Freitag strahlt der DDR-‚Deutsche Freiheitssender 904‘, der am 18. August 1956 – einen Tag nach dem KPD-Verbot – den Betrieb aufnahm und seither Musik und verschlüsselte Botschaften sendete (‚Achtung, Fledermaus – die Maulwürfe graben heute wieder‘), kein Programm mehr aus. Das Schweigen ist vielsagend: Mit dem Sende-Schluß, so vermuten westliche Geheimdienstler will die DDR das Ende der verfassungswidrigen KPD signalisieren, deren Chef Max Reimann am 27. September Mitglied der (1968 gegründeten) Deutschen Kommunistischen Partei geworden ist. “

Zeltungen, die zuvor hartnäckig schwiegen, entdecken plötzlich den Reiz des kommunistischen Untergrundsenders, so z.B. die Süddeutsche Zeitung: „Der jetzt verkündeten Neugestaltung (des DDR-Rundfunks – Red.) war am 1. Oktober der offensichtliche Sendestopp des ‚Freiheitssenders 904′ vorausgegangen. Wie der zuständige Mitarbeiter des Bundespresseamtes In Bonn erklärte, ist der Propagandasender seit Ende September ’nicht mehr im Äther‘. Seit August 1956 war die Station ohne Unterbrechung in Betrieb. Sie gab vor, vom Gebiet der Bundesrepublik aus zu senden, stand tatsächlich aber in Burg bei Magdeburg.“

In einem anderen Artikel berichtet die Süddeutsche Zeitung am 8. November 1971 erneut über die Umgestaltung des DDR-Rundfunks, in der aus dem Deutfchlandfender und der Berliner Welle die noch heute sendende Stimme der DDR wird. In diesem Artikel geht die Zeitung auch noch einmal auf die Sendeeinstellung des Freiheitssenders ein.

Offizielle DDR-Westsendungen

Neben den inoffiziellen Rundfunkprogrammen, Deutscher Freiheitssender 904 und Deutscher Soldatensender, konnten die Hörer in der Bundesrepublik auch an sie gerichtete Sendungen des offiziellen DDR-Rundfunks einschalten.

DeutschlandsenderHier ist besonders der Deutschlandsender hervorzuheben, der sich seit der Gründung der Bundesrepublik an westdeutsche Hörer wandte. In seinen Programmen ging der Deutschlandsender ausführlich auf Proteste, Demonstrationen und Streiks der bundesdeutschen Bevölkerung ein, wiederholte Meldungen über derartige Aktionen über mehrere Tage hinweg und brachte ganze Sondersendungen über größere politische Aktionen in der Bundesrepublik, so z.B. über die alljährlichen Ostermärsche der Atomwaffengegner. Hier ein kurzer Auszug aus einer Sondersendung über die Ostermärsche 1966, ausgestrahlt vom Deutschlandsender am Ostermontag 1966:

„Guten Abend, meine Hörer. Der große Marsch der Vernunft geht zu Ende. In den heutigen Nachmittagsstunden fanden in 13 großen Städten der Bundesrepublik machtvolle Abschlußkundgebungen statt. Wir werden im Verlauf dieser Sendung davon berichten. 150.000 waren dabei, so die offizielle Zahl der Kampagne für Abrüstung, die wir soeben erhielten. Die Anziehungskraft der Ideen des Ostermarsches hat sich also auch in diesem Jahr, 1966, erneut bewiesen. (…)
Zu den Tausenden, die unterwegs waren, gesellten sich ausländische Atomwaffengegner: Belgier, Amerikaner, Franzosen, Griechen, Spanier…, wer zählt die Völker, nennt die Namen? Junge Franzosen verteilten während des Marsches rote Freundschaftsnelken. In Heidelberg fanden sich am Sonntagabend amerikanische, spanische, japanische und deutsche Studenten zusammen, sangen ihre Lieder. Im Ruhrgebiet marschierte der Sohn Willy Brandts, Peter Brandt, im Zug der Demonstranten mit. Was sich vor dem Marsch mit der Unterzeichnung des Aufrufes schon andeutete, unter den 10.000 SPD-Mitgliedern waren 14 Landtagsabgeordnete, die mit ihrer Unterschrift die Ziele der Kampagne für Abrüstung unterstützten, was sich, wie gesagt, vor dem Marsch andeutete, das fand während der Ostertage nun seine Bestätigung. Der Ostermarsch 1966 war eine Demonstration der friedliebenden Menschen in der Bundesrepublik, einer Macht, die dem Atomstreben einiger Herren in Bonn ein lautstarkes Veto entgegensetzt.“

Berliner WelleWas der Deutschlandsender für Hörer in der Bundesrepublik war, das war die Berliner Welle für die Hörer in Westberlin. Beide Stationen, Deutschlandsender und Berliner Welle, stellten am 14. November 1971 ihre Sendungen ein. Am folgenden Tag nahm an ihrer Stelle die noch heute sendende Stimme der DDR ihr Programm auf. Die Stimme der DDR wendet sich auch heute noch, offiziell, an Hörer in der Bundesrepublik, wie auch an Hörer in der DDR. Wer aber in ihre Sendungen reinhört, wird feststellen, daß sich die Programme der Stimme der DDR von den Sendungen der Stationen, die sich nur an Hörer im eigenen Land wenden (DDR 1 und 2, Berliner Rundfunk), nicht oder fast nicht unterscheiden. Ausnahmen bestätigen die Regel:

Stimme der DDR„Mit lang anhaltendem Beifall begrüßten die Delegierten dieses Parteitages (der Parteitag der DKP, 2.-4.5.1986, Red.) Hermann Axen, Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED, als er ans Rednerpult trat:
‚Liebe Genossinnen und Genossen! Es ist für unsere Delegation eine tiefe Freude, euch, den Delegierten des 8. Parteitages der Deutschen Kommunistischen Partei, die herzlichsten, brüderlichen Kampfesgrüße der Kommunisten der Deutschen Demokratischen Republik, des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und seines Generalsekretärs, Genossen Erich Honecker, zu übermitteln. (…)
Das Banner Ernst Thälmanns führt die revolutionäre Vorhut der Arbeiterklasse und des Volkes der Bundesrepublik Deutschland, die Deutsche Kommunistische Partei, mit unbesiegbarer Kraft voran im Kampf um Frieden, Demokratie und Sozialismus.'“ (Stimme der DDR, Mai 1986)

Links

Wikipedia: Deutscher Freiheitssender 904
http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Freiheitssender_904

Christian Senne: Der Deutsche Freiheitssender 904. Die „Stimme der KPD“ von 19561971 (Magisterarbeit 2003)
https://www.dokufunk.org/upload/dsf_904.pdf

Radiohistory.de: Deutscher Freiheitssender 904
http://www.freiheitssender.radiohistory.de/

KulturRation: Der Deutsche Freiheitssender 904. Die Stimme der KPD von 1956-1971
http://www.kulturation.de/ki_1_thema.php?id=49

Radio Corax: Vor 60 Jahren ging der Deutsche Freiheitssender 904 auf Sendung
https://www.freie-radios.net/78556

DeutschlandRadio: Der Laubfrosch hat die Farbe gewechselt – Geheimes Radio im Kalten Krieg (Feature 2000)
https://www.youtube.com/watch?v=IjLO_khLtG4

Ausschnitte/Hörbeispiele: Deutscher Freiheitssender 904
https://www.youtube.com/watch?v=BrmY2TagQUs

junge Welt: Nicht ohne Stimme. Am Tag des KPD-Verbots hatte der „Deutsche Freiheitssender 904“ Premiere
http://www.jungewelt.de/2006/08-21/025.php

Radio-Archiv: Soldatensender 935 & Freiheitssender 904
http://www.rias1.de/dss1.htm

Deutschlandfunk: Verbot für Verfassungsfeinde. Vor 50 Jahren wurde die KPD aufgelöst
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kalenderblatt/531806/

Clandestine Radio Watch: Ein Artikel über den Deutschen Soldatensender von B. Kirtz
http://www.schoechi.de/crw-stor.html