Im April 1934 standen 24 Kommunisten aus Celle vor dem Berliner Kammergericht, angeklagt des Hochverrats. Die Generalstaatsanwaltschaft warf ihnen unter anderem vor, dass sie 1932 in der niedersächsischen Stadt einen »Schwarzsender« betrieben hätten: »Am 5. November 1932 wurde der Sender in Betrieb gesetzt, und zwar erfolgte die Besprechung durch den Angeschuldigten Hoßbach, der sich mit den Worten ›Achtung, Achtung, hier ist der Rote kommunistische Radiosender des Roten Frontkämpferbundes in Celle‹ meldete.« Wie aus der Anklageschrift hervorgeht, die auf der Internetseite »Celle im Nationalsozialismus« dokumentiert ist, waren die Einzelteile des Senders Anfang 1933 bei einem der Angeklagten beschlagnahmt worden. Die Bastler hatten die Anlage auseinandergenommen, weil sie nicht einwandfrei funktionierte. Deshalb wollte man sie umbauen, doch dazu kam es nicht mehr. Die Angeklagten wurden zu zum Teil langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Seit 1923 in Deutschland die erste öffentliche Radiosendung ausgestrahlt worden war, setzten sich Arbeiter mit dem neuen Medium Rundfunk auseinander. 1924 wurde der »Arbeiter-Radio-Bund Deutschlands« gegründet. Von diesem spaltete sich 1929 der kommunistische »Freie Radio-Bund« ab, weil die sozialdemokratisch orientierte Mehrheit die Forderung nach Errichtung eines eigenen Arbeitersenders aufgegeben hatte. Viele Mitglieder waren technisch versiert. Da sich kaum jemand die teuren Geräte kaufen konnte, baute man sich seine Radios möglichst selbst – obwohl dies zeitweilig gesetzlich verboten war.
Die Entscheidung, nicht nur einen Empfänger, sondern auch einen Sender zu basteln, fiel vielen dann nicht mehr schwer. Am 9. Februar 1933 meldete der Oberpräsident der Rheinprovinz, der Zentrumspolitiker Johannes Fuchs, dem seit dem 30. Januar als Innenminister Preußens amtierenden Naziführer Hermann Göring, dass allein im Ruhrgebiet und am Niederrhein sechs illegale Sender aktiv seien.
Schon am 12. November 1932 war die Berliner Polizei alarmiert worden, weil im Norden des Stadtgebiets eine Station »kommunistische Wahlreden« verbreitete. Die Beamten versuchten, die Schwarzfunker mit Peilgeräten aufzuspüren, Kriminalpolizisten standen für eine Razzia bereit. Doch die Fahndung blieb erfolglos, und im Dezember meldete sich der Rote Sender für das rote Berlin erneut: »Keine Knebelung der Presse, kein Redeverbot, keine Rundfunksperre können uns davon abhalten, regelmäßig unsere Meinung in die Lautsprecher werktätiger Hörer zu funken«, teilten die anonymen Betreiber mit. »Ganz besonders bedanken wir uns bei der Politischen Polizei. Die Welt würde lachen, wenn sie erführe, wie deren Schergen uns dabei geholfen haben, unsere Apparate zu transportieren. Es ist nicht so einfach, Schwarzsender unschädlich zu machen, wie eine Klebekolonne festzunehmen.«
Erschienen am 19. Dezember 2019 in der Tageszeitung junge Welt