Angesichts einer galoppierenden Inflation brauchen die deutschen Seeleute endlich spürbar mehr Geld in der Tasche. Bei einer offiziell prognostizierten Preissteigerungsrate von durchschnittlich 5,9 Prozent in diesem und 2,5 Prozent im nächsten Jahr sollte klar sein, dass billige Almosen nicht reichen können. Zumal die Männer und Frauen an Bord bereits in den vergangenen Jahren immer wieder auf Einkommenszuwächse verzichten mussten. Die Bundestarifkommission Schifffahrt ist überzeugt: Eine spürbar höhere Heuer ist diesmal notwendig.
Das zeigten auch zahlreiche Rückmeldungen von Kolleginnen und Kollegen, die sich nach einem entsprechenden Aufruf von ver.di im vergangenen Dezember mit ihren Vorstellungen und Forderungen gemeldet haben. Und auch die Mitglieder der Bundestarifkommission Schifffahrt, die am 29. Juni in Berlin zusammenkam, brachten aus ihren Betrieben den Stand der Diskussionen mit. Auch sie berichteten, dass bei ihnen der Ruf nach einer größeren Einkommenssteigerung deutlich vernehmbar ist.
Nach langer und intensiver Diskussion beschlossen die Tarifkommissionsmitglieder schließlich, dass ver.di mit einer Forderung nach zwölf Prozent mehr Geld in die anstehenden Verhandlungen mit dem Verband Deutscher Reeder (VDR) über den Heuertarifvertrag für die deutsche Seeschifffahrt (HTV-See) geht. Als Laufzeit werden zwölf Monate angestrebt. Der VDR wurde über die Forderung informiert.
Es kommt jetzt darauf an, ob die Beschäftigten bereit sind, im Zweifelsfall auch Druck für die Forderung nach mehr Geld zu entwickeln. Die wichtigste Kampfkraft der Gewerkschaft sind ihre Mitglieder, und je
mehr wir sind, desto lauter und deutlicher können wir unsere Stimme erheben. Deshalb ist jetzt ein richtig guter Zeitpunkt, Mitglied bei ver.di zu werden, bzw. Kolleginnen und Kollegen auf eine Mitgliedschaft anzusprechen. Denn es ist kaum zu erwarten, dass die Reeder die Forderung von ver.di einfach so akzeptieren werden. Das Klagen über schwierige Zeiten hat schon wieder angefangen. Dabei sollten nach den Rekordgewinnen der Reedereien in den Corona-Jahren die Kassen genügend gefüllt sein, damit die Menschen an Bord, die den Gewinn überhaupt möglich gemacht haben, davon auch etwas abbekommen.
Es ist an der Zeit, den entstandenen Abstand zu anderen Berufen wieder zu verringern. Das wäre letztlich auch im Interesse der Unternehmen. Regelmäßig beklagen sich die Reedereien darüber, dass es zu wenig
Bewerbungen gibt, dass sie kaum noch neue Leute finden. Derweil wandern Kolleginnen und Kollegen zu anderen Unternehmen ab, die mehr bezahlen und bessere Arbeitsbedingungen bieten. Ein erster
wichtiger Schritt, die Arbeit an Bord wieder attraktiver zu machen, ist eine bessere Bezahlung. Die Reeder müssen sich bewegen.
Erschienen im August 2023 in der Waterfront Nr. 1/2023